2 - 7directions Version 2023

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Leseproben 1,2,3
Dem Nikolaus zur Freude…
 
Die Geschichte Jesus einmal anders. Jesus starb nicht am Kreuz, sondern floh aus Jerusalem. Wie das kam…? Eine Leseprobe:

Jesus, in der Landessprache Jeshua genannt, sitzt in dem dunklen, muffigen Kerker des Palastes und schnitzt aus einem Stück Holz eine Flöte. Als gelernter Zimmermann hat er sein Handwerkszeug immer dabei, ein kleines Messer. Merkwürdigerweise wurde es ihm nicht abgenommen.
 
Es ist warm und stickig in dem gemauerten Raum, der nur von dem Licht aus einem kleinen vergitterten Fenster erhellt wird. Das Stroh riecht muffig, noch unangenehmer aber riechen die anderen Insassen dieser Zelle. Wenn es einmal Wasser gibt, wird es getrunken. Waschen ist hier ein unbekanntes Wort.
 
Hin und wieder hört man das Kratzen eines Bechers an der Mauer, ein Husten aus dem Dunkel der hinteren Ecke oder ein leises Stöhnen im Schlaf. Wer hier ist, hat sich aufgegeben und wurde aufgegeben.
 
Der Schweiß tropft Jesus von der Stirn und den schwarzen Haaren, immerfort wischt er seine Stirn mit den Ärmeln seines Gewandes ab. Es ist unerträglich warm in dem Verlies. Zu seinen Füßen hat sich ein kleiner Haufen Rinde und Holzspäne angesammelt, unbeirrt von dem Gestöhne seiner Kerkergenossen schnitzt er weiter an seiner Flöte. Irgendwie muss er ja die Zeit hier unten sinnvoll verbringen. Morgen soll ihm der Prozess gemacht werden. Jesus kann sich gar nicht erklären, wie er die Obrigkeit gegen sich aufgebracht haben soll.
 
In seinem bisherigen Leben, insbesondere in den drei Jahren in und um Jerusalem, hat er immer sehr viel Glück gehabt. Und mit seinem Frohsinn und seiner Leichtigkeit hat er viele Leute angesteckt. Sie sind ihm auf seinen Reisen gefolgt, zunächst vereinzelt, dann in immer größeren Gruppen. Jesus hat Gefallen daran gefunden, sein Glück mit anderen zu teilen. Und offen und ehrlich seine Meinung zu sagen. Das macht frei. Und da er immer so offen und ehrlich mit seinen Mitmenschen umging, öffneten sich ihm Türen und Tore.
 
Umso unverständlicher ist es für ihn, dass er jetzt hier hinter Schloss und Riegel von der Außenwelt abgeschottet worden ist. Er ist sicher, nichts getan zu haben, was Anderen geschadet haben könnte oder für das er bestraft werden müsste. Also sieht Jesus dem morgigen Tag gelassen entgegen. Es kann sich alles nur um ein Missverständnis handeln.
 
Ein lauter Rülpser rollt aus seinem Hals über die Nerven seines Gegenspielers. Fabius Octopus verzieht das Gesicht. Nicht nur wegen des unangenehmen Geruches, den der Stadthalter gerade verbreitet. Er läuft rot an.
 
»So haben wir nicht gewettet. Ich erwarte eine Revanche!«
 
Der Stadthalter lässt sich laut in seinen Stuhl zurückfallen. Seine glasigen Augen schauen zum Himmel. Die Haussklaven in der Ecke des Raumes schauen amüsiert auf das angetrunkene Spielerpaar.
 
»Von mir aus!«, lächelt er müde. »Aber nicht um Geld!« Eine mit Rotwein gefüllte Idee schießt ihm in den Kopf. »Ich, ich schpiele um einen Gefangenen. Wenn du gewinnst, kannst du ihn haben. Wenn nicht, hängt er noch morgen am Kreuz, jawoll.«
 
Fabius Octopus, der Tuchhändler, will protestieren, aber er weiß genau, dass er damit keine Chance haben wird. Auch er kann sich der Macht des Staates, so erbärmlich sie auch gerade aussieht, nicht widersetzen. Aber er will an diesem Abend nur noch einmal gewinnen. Und er will es diesem rüpelhaften Pontius zeigen. Außerdem, wenn er so darüber nachdenkt, er kann bei diesem Spiel ja gar nichts verlieren!
 
»Einverstanden!« sagt er. »Aber wir spielen nicht um irgendeinen Tagedieb, der als Sklave dienen kann, wir spielen um den Jeshua, Jesus, den Aufrührer, den König der Juden.«
 
Pontius Pilatus stoppt abrupt das Rotweinglas, das er gerade zum Mund führen will. Ein roter Schwall ergießt sich auf seine weiße Tunika. Zwei der Haussklaven eilen beflissen herbei und tupfen die Flüssigkeit mit weißen Tüchern ab. Einer von rechts, einer von links.
 
Einen Moment lässt der Stadthalter sie gewähren, dann stößt er sie unwirsch weg. Er fuchtelt wild mit den Armen, lallt.
 
Fabius starrt sprachlos auf sein Gegenüber. Der verwischte Rotwein hat auf dem Gewand die Form eines Kreuzes hinterlassen.
Wolfgang Heithoff
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